Interview mit Christa Hilgers
Was war Ihr spannendster oder verrücktester Tag bei der Koelnmesse?
Sehr gut erinnere ich mich an die früheren Anuga-Eröffnungen, die es in dieser Form schon lange nicht mehr gibt. Ein Klassiker war der Einmarsch der Nationen, der aussah wie bei den Olympischen Spielen. Die teilnehmenden Länder schickten beispielsweise Mädchen in Nationaltracht zur Eröffnung, die zusammen mit dem Ehrenfelder Kinderchor, dessen Leiter das Länderschild trug, einmarschierten. Es war ein Riesenchor, der sich zu einem sehr imposanten Bühnenbild versammelte. Für mich, aber auch für das gesamte Team der Werbung, war das jedes Mal etwas ganz Besonderes: sehr spannend, sehr verrückt, aber auch sehr arbeitsintensiv. Wir waren stolz darauf, Teil dieses Events zu sein. Ebenfalls sehr einprägsam in Erinnerung geblieben ist mir die Bodypainting-Aktion des Künstlers Bernd Bauer. Dabei hat er Models bemalt, die sich zu einem Obstkorb zusammenfügten. Die Frauen waren alle nackt, was heute wohl nicht mehr möglich wäre. Aber das Ergebnis war definitiv beeindruckend.
Welche besonderen Momente oder Begegnungen sind Ihnen in Erinnerung geblieben?
Sehr lebendig erinnere ich mich an den US-Amerikaner Allen Allured. Obwohl er kein typischer Aussteller war, kam er jedes Jahr zur Süßwarenmesse nach Köln. Er publizierte ein Fachmagazin in New Jersey und hatte einen kleinen Stand im amerikanischen Bereich der Messe. Von dort aus akquirierte er Anzeigenkunden; auch wir schalteten Anzeigen bei ihm. Allured veranstaltete zu jeder Süßwarenmesse einen Empfang auf einem Schiff. Der war bei Amerikanern und anderen internationalen Gästen sehr beliebt. Dann kam das Kölner Jahrhunderthochwasser von 1983. Damals standen große Teile der Stadt unter Wasser. Auch die Messehallen waren bedroht, es fehlte nur etwa ein halber Meter. Trotz des Hochwassers bestand Allured darauf, seinen Empfang durchzuführen. Er ließ sogar eigens einen Steg errichten, damit die Gäste von der Altstadt über das Hochwasser zum Schiff gelangen konnten. Es war beängstigend und zugleich beeindruckend, wie er das Schiff auf dem reißenden Rhein an den Steg manövrierte. Zum Glück ist alles gutgegangen!
Was war Ihre Lieblingsmesse?
Die Süßwarenmesse ist eine Veranstaltung, die ich von ihrem Beginn an betreute. Sie wurde 1969/1970 ins Leben gerufen. Um Chancengleichheit unter den Ausstellern zu gewährleisten, kamen Einheitsstände zum Einsatz. Das wirkte ein wenig, als wären wir in der DDR. Gleich ob große Unternehmen wie Nestlé und Ferrero oder kleinere Firmen — sämtliche Stände hatten dasselbe Format. Diese Regelung galt für etwa zwei oder drei Jahre, danach durften die Aussteller ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Von da an haben sie die Stände unglaublich kreativ gestaltet, und es machte großen Spaß, durch die Hallen zu schlendern. Das ist einer der Gründe, warum die Süßwarenmesse meine Lieblingsmesse ist. Ich habe auch die Anuga immer gern betreut, doch die war immer sehr groß und überwältigend, während die Süßwarenmesse charmant und farbenfroh war.
Gab es im Laufe der Zeit technische Innovationen, die Sie beeindruckt haben?
Besonders spannend fand ich immer die Anuga FoodTec. Ich erinnere mich genau, wie ich fasziniert zusah, als die Firma Tetra Pak zum ersten Mal ihre Produktionsanlagen in der Messehalle aufbaute. Weil die Böden nicht stabil genug waren, um die schweren Maschinen zu tragen, mussten wir sogar die Halle umbauen. Außerdem habe ich die Umstellung auf die Elektronische Datenverarbeitung miterlebt. Anfangs arbeiteten wir mit dem städtischen EDV-Zentrum zusammen, was oft problematisch war. Sehr gut in Erinnerung geblieben ist mir, als die ersten Gehälter mittels EDV überwiesen wurden. Statt der Gehaltssumme erschien bei einigen Mitarbeitenden das Datum auf den Kontoauszügen. Solche Anfangsschwierigkeiten gab es damals überall, denn die ersten Schritte in der EDV führten oft zu unerwarteten und manchmal dramatischen Ergebnissen. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen, da wir uns täglich mit Herausforderungen wie Hackerangriffen auseinandersetzen müssen.
Wollen Sie uns abschließend verraten, was das Besondere für Sie an der Koelnmesse war — oder immer noch ist?
Das Besondere an der Koelnmesse für mich während der 40 Jahre meiner Tätigkeit war die Menschlichkeit, mit der mir sowohl meine Kolleginnen und Kollegen als auch meine Vorgesetzten begegnet sind. Ich habe mich bei der Messe immer zu Hause gefühlt, wir waren stets füreinander da. Das ist einer der Gründe, warum ich so lange dabeigeblieben bin. Zudem ist das Messewesen einfach ein wunderbares Umfeld. Damals inserierte die Koelnmesse Stellenausschreibungen unter dem Slogan „Die Welt an ihrem Arbeitsplatz“. Und es stimmt: Es gibt kaum einen Job, bei dem man mit so vielen verschiedenen Ländern, Nationalitäten und Branchen in Berührung kommt wie in einer Messegesellschaft. Das war definitiv das Spannendste an meinem Job. Ich habe immer sehr gerne ausländische Besuchergruppen betreut und herumgeführt. Dabei habe ich viele interessante Menschen getroffen, die ich später auch in den USA, Kanada und anderen Ländern besucht habe.